Industrielle Klebprozesse

Von der Fertigungsplanung bis zur industriellen Fertigung geklebter Produkte: Entwicklung von klebtechnischen Prozessen

Beim Kleben spielt die Gestaltung des Fertigungsprozesses eine besondere Rolle, damit eine kontrollierbare und gleichbleibende Qualität der Klebung gewährleistet werden kann. Dem Fertigungsprozess kommt im Kontext Kleben ein besonderer Stellenwert zu. Das Upscaling von der manuellen Fertigung zu einer halbautomatisierten bzw. vollautomatisierten Fertigung erfordert fundierte Kenntnisse über die richtigen Dosieranlagen, Mischer sowie geeigneten Düsen als auch die Schnittstellen zu nachgelagerten Teilprozessen.

Die Expertinnen und Experten des Fraunhofer IFAM beraten Kunden zu jedem Fertigungsschritt und bieten sogar den Aufbau einer maßgeschneiderten, prototypischen klebtechnischen Fertigung bzw. Serienfertigung für ihre Produkte an. An dieser wird dem Kunden demonstriert, wie seine Fertigung in Zukunft aussehen könnte.

Außerdem bieten wir detaillierte Analysen klebtechnischer Prozesse. Die Analyse kann entweder für bestehende klebtechnische Prozesse erfolgen oder im Vorfeld zukünftiger Fertigungsszenarien. Hierbei orientiert sich das Fraunhofer IFAM direkt an den Bedürfnissen des Kunden. Diese werden vor Beginn in einer detaillierten Anforderungsliste festgehalten.

Im Folgenden stellen wir Ihnen einen ersten Eindruck unseres Dienstleistungsangebots anhand einzelner Prozessschritte und Applikationstechniken vor. Gerne analysieren wir gemeinsam mit Ihnen den klebtechnischen Bedarf Ihres Unternehmens und entwickeln eine maßgeschneiderte Lösung für Sie.

Eine ganzheitliche Betrachtung: Klebtechnische Fertigungskonzepte

 

Der erfolgreiche Einsatz der Klebtechnik in der Fertigung ist nicht alleine mit der Auswahl eines geeigneten Klebsystems, das die mechanischen Anforderungen an den Klebverbund sicherstellt, zu gewährleisten. Die Vielzahl unterschiedlichster Klebstoffsysteme erfordert zusätzlich eine intensive Betrachtung des gesamten Fertigungsprozesses beim Kunden. Der Prozess beginnt meist bei der Oberflächenvorbehandlung der Bauteile, gefolgt von dem Klebstoffauftrag sowie dem Fügen der Bauteile und endet mit dem Aushärten des Klebsystems. Nur ein auf das Klebstoffsystem abgestimmter Fertigungsprozess gewährleistet einen dauerhaften und erfolgreichen Einsatz der Klebtechnik.

Die Erarbeitung dieser Fertigungskonzepte erfolgt meist parallel mit der Klebstoffauswahl und wird mit empirischen Versuchen hinterlegt. Das hierfür notwendige Versuchskonzept wird individuell an die jeweilige Aufgabenstellung angepasst. Mittels dieser Vorgehensweise werden alle relevanten Prozessparameter erfasst und ermöglichen somit die fertigungsnahe Planung des späteren Prozessablaufs.

Die Kompatibilität des klebtechnischen Fertigungsprozesses lässt sich im Vorfeld mittels verschiedener Methoden überprüfen. Anhand der kundenspezifischen Bedürfnisse entwickeln wir zunächst mögliche Fertigungskonzepte und bewerten sie hinsichtlich des Kundennutzens. Anschließend überprüfen wir diese Konzepte anhand von prototypischen Versuchen auf eine technische Eignung.

Bei komplexen Fragestellungen erlauben die Methoden der Fertigungssimulation einen dezidierten Einblick in den zukünftigen Fertigungsablauf. Des Weiteren ist mit einer selbstentwickelten Software (IFAM-Calculation Tool) eine genaue Abschätzung der zu erwartenden Fertigungskosten und der nötigen Investitionskosten durchführbar. Somit ist es bereits in frühen Entwicklungsschritten möglich, eine Eignung hinsichtlich der vom Kunden gestellten Anforderungen zu überprüfen und Fehlentwicklungen zu vermeiden.

Dosier- und Mischtechnik: Automatisierte Klebstoffverarbeitung

 

Zur Verarbeitung und Applikation von Klebstoffen sind – in Abhängigkeit davon, ob es sich um einkomponentige (1-K) oder zweikomponentige (2-K) Klebstoffe handelt – Dosieranlagen und Mischer nötig. Die Auswahl einer Dosieranlage für einen Prozess bedarf einer vielschichtigen Vorgehensweise. Zu beachten sind hierbei einerseits materialabhängige Einflüsse, z. B. die Viskosität des Klebstoffs, sowie prozessabhängige Einflüsse, wie die Auftragsmenge in der gewünschten Taktzeit.

Wir bieten dem Kunden bei der Auswahl von Dosieranlagen und geeigneten Mischsystemen – über die Beratung hinaus – individuelle Unterstützung an: Im Technikum des Fraunhofer IFAM steht dafür eine Vielzahl von Anlagen für verschiedene Gebindearten – von der Kartusche (10 ml) bis zum Fass (200 l) – zur Verfügung. Zudem können für gezielte Tests Anlagen von den entsprechenden Herstellern geliehen und im Technikum in Bremen gemäß den Anforderungen des verwendeten Klebstoffs und des jeweiligen Fertigungsprozesses auf ihre Eignung geprüft werden.

Auftragstechnik: Düsen

 

Die Applikation von Klebstoffen bedarf häufig spezifischer, auf die jeweilige Anwendung abgestimmte Düsenkonzepte. Entsprechend der Geometrie der zu fügenden Substrate und der gewünschten Spaltmaße ergibt sich die benötigte Klebstoffraupe mit ihren individuellen Abmaßen. Eine besondere Herausforderung ist hierbei das Kleben von Großbauteilen oder drei-dimensional gekrümmten Strukturen.

Um die Klebstoffraupe auf dem Bauteil prozesssicher applizieren zu können, muss eine dazu geeignete Düse vorhanden sein. Die am Markt erhältlichen Düsen für die Klebstoffapplikation sind Standardprodukte für Standardlösungen.

Für spezifischere Klebstoffapplikationsanforderungen bieten wir die Entwicklung und Qualifizierung individueller Auftragsdüsen an, die auf das Klebstoffsystem und die geforderte Raupenform der spezifischen Anwendung abgestimmt sind. Die Entwicklung der Auftragsdüsen erfolgt unter der Einbeziehung der Strömungssimulation für die jeweilige Düsenform.

Auftragstechnik: Tapes

 

Flexible Verpackungen, Klebebänder, funktionale Textilien bis hin zu bahnförmigen Modulen zur Erzeugung flexibler Solarzellen für die Energiegewinnung sind Produkte, die zum Alltag gehören oder zunehmend ihren Weg dorthin finden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass während ihres Herstellungsprozesses Materialien – beispielsweise Klebstoffe – flächig auf Substrate aufgebracht werden.

Das Fraunhofer IFAM verfügt nicht nur über vielfältige Kompetenzen im Bereich der Fertigungstechnologie rund um den linienförmigen Klebstoffauftrag, sondern auch im Bereich der flächigen Beschichtung. Diese werden ergänzt durch umfangreiche Erfahrungen zum Einsatz von Klebstoffen und polymeren Beschichtungsmaterialien in Verpackungen, Folien, Papier und anderen flächigen Materialien.

Eine Technikumsanlage zum Beschichten und Kleben von bahnförmigen bzw. großflächigen Substraten ermöglicht den Technologietransfer individueller klebtechnischer Innovationen direkt in die industrielle Fertigung des Kunden. Durch die Beschichtungsanlage werden Entwicklungen von anwendungsorientierten Spezialverfahren realisierbar, die weit über den Labormaßstab hinausgehen.

Klebstoffapplikation in der Mikrofertigung

 

Insbesondere in der Mikrosystemtechnik, der Feinwerktechnik, der Medizintechnik, der Mikroelektronik, der Optik sowie der Optoelektronik eröffnet das Kleben Unternehmen neue Perspektiven in der Produktion von kleinsten Bauteilen, die vielfältige Funktionen auf engem Raum vereinen. So können im gesamten Mikrobereich auch komplexe Konstruktionen in individuellen Konfigurationen geklebt werden.

Das Kleben in kleinen Dimensionen ist mit vielfältigen neuen Herausforderungen verbunden, da sich die aus dem Makrobereich bekannten Eigenschaften der Polymere nicht uneingeschränkt in den Mikrobereich übertragen lassen. Speziell dafür sind die Expertinnen und Experten der Klebtechnischen Fertigung des Fraunhofer IFAM aufgrund ihres fundierten Know-hows und ihrer Erfahrung in der Lage – sie erarbeiten gemeinsam mit dem Kunden maßgeschneiderte Lösungen für das Kleben im Mikrobereich.

Gerade bei Klebvorgängen im Bereich weniger Mikrometer garantiert erst die perfekte Abstimmung der Fertigungsprozesse den Erfolg, weil selbst geringfügigste Abweichungen, die im Makrobereich kaum relevant sind, hier signifikante Auswirkungen nach sich ziehen können. Mikrofertigungstechniken umfassen daher das reproduzierbare Aufbringen kleinster Klebstoffvolumina oder dünnster Klebschichten, die Positionierung und Justierung winzigster Teile, ein kraft- oder weggeregeltes Fügen sowie die stressarme Aushärtung bei kleinen Taktzeiten.

Am Institut sind vielfältige Applikationsmöglichkeiten für die Mikrofertigung vorhanden; anderenfalls werden sie gemäß den Kundenanforderungen individuell entwickelt.

Polymerverguss zum Schutz von elektronischen Bauteilen

 

Mit dem stetigen Anstieg der elektronischen Baugruppen und ihrer Verwendung, beispielsweise in Kraftfahrzeugen und Sensoren, steigen auch die Anforderungen an ihre Langzeitstabilität und Funktionssicherheit. Zum Schutz dieser Bauteile bietet sich ein Polymerverguss an. Durch das Vergießen oder den Auftrag von Schutzlacken werden die zu schützenden Bauteile, beispielsweise eine Leiterplatte, durch ein Polymer vollständig umschlossen, um ihre Zuverlässigkeit zu sichern. Die Vergussmasse führt zu einer besseren Wärmeableitung, mechanischem Schutz sowie Schutz vor äußeren Einflüssen und auch zu elektrischer Isolation, wodurch die Funktionstüchtigkeit der Bauteile auch in rauen Umgebungen gewährleistet werden kann.

Strömungssimulation

 

Die Beschreibung von Strömungsvorgängen durch die numerische Strömungssimulation CFD (Computational Fluid Dynamics) wird bereits in den unterschiedlichsten technischen Feldern eingesetzt. Die Bandbreite dieser Methode erstreckt sich von der Aerodynamik verschiedener Transportmittel über die Simulation des Füllvorgangs beim Spritzgießen bis hin zur Beschreibung motorischer Verbrennungsvorgänge. Im Bereich der maschinellen Klebstoffverarbeitung wird die numerische Strömungssimulation bislang wenig eingesetzt.

Im Unterschied zu Luft und Wasser sind Klebstoffe fast ausschließlich nicht-newtonsche Flüssigkeiten mit einem komplexen Fließverhalten. Für den Hersteller und den Betreiber von klebtechnischen Dosier- und Applikationsanlagen ist die Strömung der Klebstoffe in diesen Anlagen daher schwer abzuschätzen. Dies kann zu unerwarteten Fließeffekten, Planungsproblemen oder plötzlich auftretenden Betriebsstörungen führen.

Das Fraunhofer IFAM nutzt die Strömungssimulation im Kundenauftrag und im Rahmen von Forschungsprojekten mit dem Ziel, die Strömung des Klebstoffs während der klebtechnischen Fertigung vollständig zu verstehen. Basis für eine treffende Simulation sind stets die zielgerichteten rheologischen Charakterisierungen des Fließverhaltens der Klebstoffe, die Validierung der Simulation an einer instrumentierten Applikationstechnik und die detaillierte Kenntnis der industriellen Produktionsbedingungen.

Robotertechnikum: Automatisierte Klebprozesse

 

Das Robotertechnikum des Fraunhofer IFAM in Bremen hat sich als Testumgebung für die automatisierte Klebstoffapplikation erfolgreich etabliert. Es besteht zurzeit aus zwei Industrierobotern mit 125 bzw. 60 kg Traglast. Ein Roboter hat zusätzlich eine lineare Achse zur Erweiterung des Arbeitsraums. Des Weiteren steht eine Vielzahl von Dosieranlagen für unterschiedlichste Anwendungen zur Verfügung. Bei der Planung des Robotertechnikums wurde in jedem Stadium darauf geachtet, alle Dosiereinrichtungen sowohl flexibel auf einem der Roboter, als auch als Stand-Alone-Anlage mit feststehender Düse einzusetzen. Die Expertinnen und Experten der Klebtechnischen Fertigung können im Robotertechnikum Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Kunden aus so unterschiedlichen Bereichen realisieren. Eine aktuelle Fragestellung ist dabei die Fügetechnologie Kleben in das Umfeld der Industrie 4.0 zu integrieren. Zu diesem Schwerpunkt haben die Forscherinnen und Forscher bereits der Projekt „Kleben 4.0“ abgeschlossen. Derzeit wird das Robotertechnikum Kleben im Rahmen des Förderprojekts DigiKleb zu einem Demozentrum für das automobile Kleben in der Industrie 4.0 ausgebaut.