Unsere Umwelt steht unter Druck. Chemikalien aus unterschiedlichsten Quellen belasten Böden, Gewässer und Luft. Besonders besorgniserregend sind schwer abbaubare Substanzen wie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) und Arzneimittelrückstände. Sie gehören zu mehr als 4700 Stoffen1, deren Auswirkungen auf Menschen und Natur noch weitestgehend ungeklärt sind. Diese Stoffe gelangen trotz moderner Kläranlagen in die Umwelt und gefährden empfindliche Ökosysteme weltweit – sogar in entlegenen Regionen wie der Arktis.
Das Verbundprojekt DeDrug-Bio setzt genau hier an. Mit biohybriden Filtersystemen sollen schädliche Substanzen effizient und nachhaltig entfernt werden – eine Lösung, die Natur und Technik intelligent verbindet. »Biohybrid« bezeichnet die Kombination von biologischen und synthetischen Komponenten, um synergistische Effekte zu erzielen. Im Materialkontext bedeutet dies die Integration biologischer Elemente wie Mikroorganismen oder Enzyme in technische Materialien, die speziell dafür entwickelt wurden, biologische Prozesse zu unterstützen und zu optimieren, beispielsweise durch maßgeschneiderte Oberflächenstrukturen oder biokompatible Trägermaterialien.
Ziele und Herausforderungen
Das Hauptziel von DeDrug-Bio ist die Entwicklung eines Filtersystems, das problematische Substanzen wie den Arzneiwirkstoff Diclofenac gezielt abbaut. Dabei kommen mikrobiell aktive Filteroberflächen zum Einsatz, die Schadstoffe enzymatisch in unschädliche Verbindungen umwandeln. Die Herausforderung besteht darin, diese biologischen Prozesse in technische Systeme zu integrieren, die auch unter realen Bedingungen in Kläranlagen robust und leistungsfähig sind.
Das Fraunhofer IFAM spielt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der maßgeschneiderten Oberflächenstrukturen. Mit innovativen Verfahren wie Laser- und Plasmatechnologien werden Materialoberflächen geschaffen, die ideale Lebensbedingungen für Mikroorganismen bieten. Das Institut testet zudem die mikrobielle Aktivität der Biofilme, und bringt sein patentiertes Know-how im Bereich funktionaler Oberflächen ein2.
Im Forschungskonsortium untersucht die SITEC Industrietechnologie GmbH ein industrielles Upscaling der Technologie, und der Abwasserentsorger hanseWasser Bremen GmbH die Integration in eine Kläranlage. Der interdisziplinäre Verbund wird durch den assoziierten Filterhersteller MARTIN Membrane Systems AG und das Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg komplettiert.
Technologie: Inspiration aus der Natur
Das Design der Filtersysteme orientiert sich an Vorbildern aus der Natur, wie Meeresschwämmen und Korallen, die hochentwickelte Filtrationsmechanismen besitzen. Diese Prinzipien werden in ein selbstregenerierendes, energieautarkes, modulares Filtersystem umgesetzt, das flexibel an verschiedene Anforderungen angepasst werden kann.
Die Kombination aus biologischen Abbauprozessen und innovativen Materialtechnologien verspricht eine energieeffiziente und kostengünstige Lösung. Ziel ist es, langfristig globale Umweltstandards zu verbessern und den Betrieb von Kläranlagen zu optimieren.
Ein Blick in die Zukunft: Nachhaltigkeit und globale Umsetzbarkeit
Die biohybriden Filtersysteme tragen zur gezielten Entfernung von Schadstoffen bei und entlasten damit Böden, Gewässer und Luft. Gleichzeitig wird der Energieverbrauch im Vergleich zu rein chemischen oder physikalischen Verfahren reduziert, was die Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit steigert.
Dank ihrer modularen Bauweise lassen sich die Systeme in bestehende Infrastrukturen integrieren. Dies eröffnet nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ein großes Potenzial für den Einsatz in der Wasser- und Umwelttechnik. Das Projekt zeigt eindrucksvoll, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit und wissenschaftliche Innovation neue Maßstäbe im Umweltschutz setzen und gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile schaffen können.
Kooperation und Förderung
DeDrug-Bio wird von der SITEC Industrietechnologie GmbH koordiniert und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Initiative „Biologisierung der Technik“ gefördert (FKZ: 13XP5205) – administrativ betreut durch die VDI Technologiezentrum GmbH. Zu den Partnern gehören neben dem Fraunhofer IFAM auch hanseWasser Bremen, die MARTIN Membrane Systems GmbH und das Kompetenzzentrum Spurenstoffe Baden-Württemberg sowie weitere Akteure aus Wissenschaft und Industrie.
1https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/uba_sp_pfas_web_0.pdf
2 DE102018133553A1