BatterieDigital®

Digitalisierung in der Batterieforschung

© Fraunhofer IFAM

Die Digitalisierung empirischer Forschungsdaten sowie die Entwicklung digitaler Workflows zur automatisierten Datenverarbeitung mithilfe von Modellen und intelligenten Algorithmen ist in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Batterieforschung gerückt. Die Erarbeitung und technische Umsetzung einer umfassenden Digitalisierungsstrategie zur effizienten und nachhaltigen Nutzung von Batteriedaten setzt die vollständige Digitalisierung aller Methoden und Prozesse zur Datengenerierung und -verarbeitung sowie ein systematisches Management der Daten über ihren gesamten Lebenszyklus voraus. Die Digitalisierungsstrategie von Batteriedaten wird am Fraunhofer IFAM in BATTERIEdigital® erfasst.

 

Das Fraunhofer IFAM hat es sich zum Ziel gesetzt, mit der eingetragenen Marke BATTERIEdigital® die digitale Transformation der Batterieforschung durch die ganzheitliche Betrachtung aller Themenbereiche von der experimentellen Datengenerierung, über die intelligente Datenverarbeitung und -analyse bis hin zur Entwicklung automatisierter Workflows voranzutreiben. Durch die Zusammenführung umfassender Kompetenzen und innovativer Technologien aus den Bereichen Materialwissenschaften, elektrochemische Energiespeicherung, Data Analytics und Informatik werden in BATTERIEdigital® digitale Tools und Services zur Zelldiagnostik sowie zur Identifizierung und Charakterisierung neuartiger Materialien für Batteriezellen entwickelt.

Ein besonderer Anwendungsschwerpunkt von BATTERIEdigital® liegt in der intelligenten Bestimmung und Vorhersage des Alterungsverhaltens von Batteriezellen, das die Betriebsfähigkeit von batteriebetriebenen Geräten in hohem Maße beeinflusst. Durch die Verknüpfung von elektrochemischen und analytischen Messmethoden, Künstlicher Intelligenz (KI) und automatisierten Datenverarbeitungsprozessen zielt BATTERIEdigital® unter anderem auf die maschinelle Identifizierung kritischer Alterungsprozesse und die Vorhersage des Langzeitverlaufs der Zellalterung ab.

 

Ökonomische, ökologische und sichere Anwendung von Batterien

Modellbasierte Vorhersagen, die eine zuverlässige Zustandsbestimmung und Lebensdauerprognose von Batteriezellen für unterschiedliche Umgebungs- und Betriebsbedingungen ermöglichen sind für verschiedene Anwendungen von großer Relevanz. Energieversorger, Automobilisten bis Entsorger sind an der Entwicklung verlässlicher Testprozeduren und Analysemethoden von Batteriezellen hochinteressiert. Themen wie Sicherheit, Lebensdauer, Gewährleistung und ökologische Nachhaltigkeit, die je nach Art und Anwendungsbereich der eingesetzten Zellen stark variieren können, spielen dabei eine zentrale Rolle.

 

Parameteridentifizierung und Lebensdauerprognose

Neben der Lebensdauerprognose ist die Identifizierung und Vorhersage zugrundeliegender Degradationsprozesse, die das Alterungsverhalten der Zelle unter unterschiedlichen Betriebsbedingungen dominieren, entscheidend. Hierzu muss eine Korrelation zwischen den auftretenden Alterungsphänomenen, den dadurch beeinflussten physikalischen Parametern und Messmethoden erfolgen, die eine quantitative Bestimmung dieser alterungsrelevanten Parameter ermöglichen.

Die mithilfe dieser Messmethoden generierten experimentellen Daten werden in BATTERIEdigital® in objektorientierten Datenbanken zusammengeführt und zum Anlernen und Testen von Vorhersagemodellen herangezogen. Dazu werden Features ermittelt, die eine Korrelation zum Gesundheitszustand der Zelle, bzw. zu bestimmten Alterungsprozessen aufweisen.

Letztlich wird durch die Erstellung digitaler Workflows eine vollautomatisierte, intelligente Datenverarbeitung basierend auf Machine Learning (ML)-Algorithmen angestrebt. Auch für die Materialentwicklung und Zellfertigung kann dieser ML-Ansatz zielführend eingesetzt werden, um geeignete Prozessparameter für die Herstellung von Materialien, Komponenten oder Zellen mit bestimmten Spezifikationen ableiten und prüfen zu können.

 

Datenaufbereitung als Grundlage von Machine Learning-Modellen

Die Erarbeitung innovativer Strategien und effizienter Methoden zur Zellchemie-unabhängigen Vorhersage der Lebensdauer und der Identifizierung alterungsrelevanter Parameter gewinnt zunehmend an Bedeutung. Datenbasierte Methoden nutzen Blackbox-Modelle, um eine mathematische Verknüpfung zwischen ausgewählten Eingangsparametern und der zu modellierenden Zielfunktion herzustellen. Im Gegensatz zu physikalisch-chemischen Modellen ist in diesem Fall keine exakte Kenntnis der Zellchemie und der auftretenden Reaktionen erforderlich. Mithilfe von Klassifizierungsmethoden, ML-Ansätzen und intelligenten Optimierungsalgorithmen können in BATTERIEdigital® Zielgrößen präzise vorhergesagt und Korrelationen zwischen den Eingangsparametern und Zielgrößen aufgedeckt werden.

Die wesentliche Grundlage zur Konstruktion eines ML-Modells liegt in der Datenverarbeitung (Bereinigung und Feature Engineering). Anschließend wird das System mit Trainingsdaten angelernt und nachfolgend mit einem Testdatensatz getestet. Die Generierung einer umfangreichen Datenbasis dient dabei zur Verbesserung der Genauigkeit und Robustheit maschineller Methoden.

Mittels empirischer und statistischer Methoden werden in BATTERIEdigital® relevante Alterungsparameter z.B. mithilfe von post-mortem-Analysen identifiziert und datenbasierte Modelle validiert.

© Fraunhofer IFAM
Datenbankbenutzeroberfläche mit verschiedenen Filter-Tags, die für die Suchabfrage herangezogen werden können. Oben rechts: Ausschnitt der Benutzeroberfläche der Zeitreihendatenbank Influx DB und Visualisierung von Impedanzdaten mit der open-Source-Anwendung Grafana.

Datenqualität, Standards und Datenmanagement

Um eine ausreichend hohe Datenqualität für die Modellierung zu erzielen und die Übertragbarkeit von Messergebnissen und Testszenarien gewährleisten zu können, ist die Entwicklung von standardisierten Messprozeduren und Testszenarien unumgänglich.

Die Identifizierung vorliegender Datenformate und die Ableitung möglicher Vereinheitlichungen für einen optimalen Datentransfer bilden die Grundlage zur Erstellung geeigneter Datenbankstrukturen, die in BATTERIEdigital® für verschiedene Problemstellungen erarbeitet und technisch realisiert werden. Eine besondere Herausforderung liegt dabei in der Verwaltung der mit den unterschiedlichen Messmethoden generierten Zeitreihen, die für jede Messung eine unterschiedliche Anzahl von Datenpunkten aufweisen. Um diese Messreihen in einer Datenbank speichern und analysieren zu können, werden in BATTERIEdigital® Zeitreihendatenbanken (engl. Time Series Database, TSDB) z.B. auf Basis des open-source Datenbankmanagementsystems Influx DB erstellt. In einer TSDB wird jeder Messwert mit einem Zeitstempel verknüpft. Zusätzlich werden die Daten, die in der TSDB hinterlegt sind, mit Metadaten angereichert. Dazu werden sogenannte Metadaten-Tags definiert, die wiederum mit einer zusätzlichen Datenbank für Metadaten (z.B. PostgreSQL) verknüpft werden.

Die verschiedenen Software-Tools können über Python-Code gesteuert werden und ermöglichen die Entwicklung individuell angepasster Funktionen zum Datenimport, zur Einrichtung von Suchfunktionen sowie zur Erstellung von Workflows, die in Form von Python-Skripten in die Software implementiert werden können. Auf diese Weise können die Messdaten, die in der Datenbank hinterlegt sind, automatisch analysiert und visualisiert werden.

 

Die Zukunft: Intelligente State-of-Health-Bestimmung mit künstlicher Intelligenz

Durch die Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung und –analyse (Data Analytics) nutzt BATTERIEdigital® die Gesamtheit der Messdaten. Hierzu werden auf Basis von zyklischen und kalendarischen Alterungstests und weiteren experimentellen oder simulativen Methoden hochwertige Daten generiert und vornehmlich mathematische Features identifiziert. Diese werden zum Anlernen intelligenter Algorithmen, z.B. basierend auf neuronalen Netzen (NN), verwendet. Dieser auf KI basierende Ansatz wird heutzutage vor allem im Bereich industrieller Anwendungen zur Datenanalyse, Prognose und Bewertung von Systemzuständen sowie für die Errechnung und Umsetzung von Optimierungslösungen in komplexen Szenarien eingesetzt.

Der Vorteil von KI gegenüber herkömmlichen Ansätzen liegt in der erhöhten (Echtzeit-) Datenverarbeitungskapazität, die besonders im Big Data-Bereich erforderlich ist, ihrer empirischen Objektivität sowie in der (Re-)Trainierbarkeit ihrer spezifisch angepassten, aber doch flexibel auf unterschiedliche Methoden und Szenarien übertragbaren Modelle. State-of-the-Art sind aktuell semi-automatisierte KI-Plattformen, bei der KI eingesetzt wird, um Modelle mit einem geeigneten Datensatz anzulernen (ML-Ansatz) oder zu adaptieren (Black Box-Ansatz). Hierfür kommen in BATTERIEdigital® Deep-Leaning-Methoden, wie beispielsweise rekurrente neuronale Netzwerke (RNN) zum Einsatz, welche Datensätze mithilfe mathematischer Aktivierungsfunktionen, wie den sogenannten Rectified Linear Units (ReLU), verarbeiten und/oder die Prognose von Zeitreihen über Long Short-Term Memory (LSTM)-Netzwerke implementieren.

© Fraunhofer IFAM
Der digitale Cell Designer ist ein Tool, das eine schnelle Berechnung und einen Vergleich von Performance und Ökologie für verschiedene Batterietechnolologien unabhängig vom technischen Reifegrad ermöglicht.

Digitale Tools für einen Technologievergleich unabhängig vom Reifegrad

BATTERIEdigital® hat anhand von Leistungsparametern bestimmter Zelltypen und der jeweiligen Zellchemie einen Digital Cell Designer entwickelt, um das Leistungspotential und den ökologischen Fußabdruck neuartiger Batteriezelltechnologien mit etablierten Zellsystemen (z.B. Lithium-Ionen) vergleichen zu können. Mithilfe dieses leistungsstarken Tools können einzelne Elemente, wie Zellbestandteile, geometrische Komponentenauslegung und Zelldesign systematisch angepasst und variiert werden, so dass maßgeschneiderte Technologievergleiche unter nahezu realen Bedingungen erzielt werden können.

BATTERIEdigital®

BATTERIEdigital® ermöglicht ein umfangreiches Dienstleistungsportfolio wie z.B.

  • Umfassende Alterungsdiagnostik von Batteriezellen
    • Messtechnische Erfassung und ML-basierte Identifizierung relevanter Daten und Parameter
  • Erstellung objektorientierter Datenbanken
  • Datenbank-Screening mithilfe von ML-Modellen
  • Entwicklung von datenbasierten Modellen zur 
    • Material-, komponenten- oder formatseitigen Auslegung von zukünftigen Energiespeichertechnologien
    • Lebensdauerprognose von Batterien
    • Restwertbestimmung/Zweitverwertung von Batterien
  • Entwicklung optimierter Betriebsstrategien/Benutzerhandbücher für Batteriezellen
  • Entwicklung digitaler Tools und Services
    • Z.B. zur Berechnung des CO2-Footprints für verschiedene Batterietechnologien

 

Aktuelle Projekte und wissenschaftliche Arbeiten

Die Expertinnen und Experten von BATTERIEdigital® forschen in zahleichen Projekten an aktuell relevanten Fragestellungen rund um das Thema KI-gestützte Alterungsdiagnostik von Batteriezellen, in denen sie ihr gebündeltes Knowhow aus den Bereichen Materialwissenschaften, Elektrochemie, Data Analytics und ML zur Entwicklung effizienter Prognosemodelle und Digitaler Tools einsetzen und kontinuierlich erweitern und vertiefen.

 

Projekte:

  • BMWi-Projekt NeuroBatt
    • Schwerpunkte: Standardisierte Messdatenerfassung, Alterungsdiagnostik und Lebensdauerprognose
  • BMBF-Projekt BeLiMIA-Kompetenzcluster BattNutzung und Querschnittsinitiative Batterielebenszyklus
    • Schwerpunkte: Datenbankerstellung, Identifikation und qualitative Analyse von Alterungsprozessen mithilfe von Data Mining-Methoden (Klassifizierung und Clustering), Entwicklung eines digitalen Battery Aging Tools
  • BMBF-Projekt Kontelpro-Kompetenzcluster InZePro
    • Schwerpunkte: Prozessdatenerfassung, Ontologie-Entwicklung
  • BMBF-Projekt ZIB
    • Schwerpunkte: Aktivmaterialherstellung und -prozessierung, ökologischer Technologievergleich mithilfe eines Digital Cell Designers

 

Abschlussarbeiten:

  • Budde, J. (2021). Identifizierung von innovativen Materialien für Festkörperbatterien durch Datenbank-Screening mithilfe eines Klassifizierungsmodells (Masterarbeit, Fraunhofer IFAM; Technische Universität Braunschweig; Universität Bremen)
  • Saager, N. (2020). Aufbau einer Forschungsdatenbank für Lithium-Ionen Batterien (Masterarbeit, Fraunhofer IFAM; OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg; Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)
  • Janßen, M. (2019). Vorhersage des Gesundheitszustands von Lithium-Ionen Batterien mittels datenbasierter Modellierung (Masterarbeit, Fraunhofer IFAM; Universität Bremen)