Studie »Verbesserung des Drittzugangs zu Fernwärmenetzen«
Im Rahmen der von der dena in Auftrag gegebenen Studie »Verbesserung des Drittzugangs zu Fernwärmenetzen« haben Expertinnen und Experten des Fraunhofer IFAM ein Konzept entwickelt, das die Einbindung von externen Wärmeerzeugern, sogenannten Dritten, in große Wärmenetze durch geregelte Abläufe strukturiert. Damit wird der Forderung aus der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) Rechnung getragen, wonach Betreiber von Fernwärme- oder Fernkältenetzen mit einer Kapazität über 25 MWth angehalten werden, Drittanbietern von Energie aus erneuerbaren Quellen sowie Abwärme und -kälte Zugang zum Netz zu gewähren oder die Energie zu kaufen und einzuspeisen (Artikel 24, Absatz 4b). Im Kern werden zwei Anwendungsfälle betrachtet:
- Erweiterung des bestehenden Fernwärmenetzes: Dabei wird ein optimales Erzeugungsportfolio gesucht.
- Ersatz von Erzeugungsanlagen in einem bestehenden Wärmenetz: Dies erfolgt zum Zweck der Dekarbonisierung oder aufgrund des Erreichens der Nutzungsdauer.
Neu zu bauende Netze wurden dagegen nicht explizit betrachtet.
Dreistufiges Verfahren als Lösungsansatz
Der Drittzugang beschreibt ein strukturiertes Verfahren, das die Abläufe von der Identifikation erschließbarer Wärmequellen bis zum Abschluss eines verbindlichen Liefervertrags zwischen dem derzeitigen Fernwärmeversorger und ggfs. zusätzlichen Anbietern klimafreundlicher Wärme definiert. Die Ausgestaltung des Ablaufs unterliegt dabei einer Reihe von Anforderungen:
- Beschleunigung der Dekarbonisierung: Effektiver Drittzugang für zusätzliche klimafreundliche Wärmeanbieter soll die Dekarbonisierung der Fernwärme vorantreiben.
- Transparenz und Anreizschaffung: Es soll Transparenz zu verfügbaren klimafreundlichen Wärmequellen hergestellt und Anreize zu deren Erschließung verbessert werden.
- Mobilisierung privaten Kapitals: Die Finanzierung von Investitionen in klimafreundliche Wärmeerzeugung durch privates Kapital soll ermöglicht werden.
- Umsetzungsnähe: Die Verfahren sollen sich nahtlos in den bestehenden Rechts- und Regulierungsrahmen einfügen.
Aufbauend auf der vergleichenden Bewertung verschiedener Ansätze eines Drittzugangs aus der dena-Vorstudie »Regulatorische Modelle für klimaneutrale Fernwärme in Deutschland« (2023) wurde ein dreistufiges Verfahren entworfen. Jede Stufe adressiert ein spezifisches Problem, das im Rahmen des Drittzugangs zum Fernwärmenetz auftritt.
Stufe 1: Marktabfrage
Ein effektiver Drittzugang setzt voraus, dass alle infrage kommenden Wärmequellen vom Fernwärmeversorger transparent und diskriminierungsfrei berücksichtigt werden. Diese Aufgabe wird im Konzept des Fraunhofer IFAM durch eine Marktabfrage adressiert. Die Marktabfrage bietet Drittanbietern ein Zeitfenster, in dem sie unverbindliche technische Angaben zu potenziellen Wärmequellen machen können, um diese in der weitergehenden Projektierung des Fernwärmeversorgers zu berücksichtigen. Sie schließt mit der Veröffentlichung der Ergebnisse und einem Memorandum of Understanding ab. Darin sichern die interessierten Drittanbieter und der Fernwärmeversorger die Weiterprojektierung und den Netzanschluss zu, sofern dies wirtschaftlich zumutbar ist und die Wärmequelle in Stufe 3 ausgewählt wird.
Stufe 2: Konsolidierung
Die Marktabfrage liefert technische Informationen zu den potenziellen Wärmequellen, die vom Fernwärmeversorger benötigt werden, um bedarfsgerechte Erzeugungsportfolios zu erstellen. Es wird jedoch erwartet, dass die Ergebnisse der Marktabfrage aus Gesamtsystemsicht häufig inkonsistent sind. Beispielsweise könnten die angebotenen Gesamtmengen und Verlaufskurven der Wärmebereitstellung nicht zu den prognostizierten Wärmebedarfen passen oder die Vorlaufzeiten bis zur Wärmebereitstellung nicht mit der Bedarfsentwicklung übereinstimmen. Aus diesem Grund werden die Ergebnisse im Rahmen eines Runden Tisches mit Fernwärmeversorger, Drittanbietern und Kommune zu einem oder mehreren technisch-ökonomisch realisierbaren Erzeugungsportfolios konsolidiert. Eine festzulegende Regulierungsbehörde berechnet anhand einer vorgegebenen Methodik, die noch entwickelt werden muss, einen Referenzpreis für jedes erarbeitete Erzeugungsportfolio und schlichtet potenzielle Konflikte zwischen den Stakeholdern.
Stufe 3: Auswahl des Erzeugungsportfolios
Diese Stufe wird benötigt, wenn mehr als ein Erzeugungsportfolio in Stufe 2 erarbeitet wurde. In diesem Fall werden die Portfolios anhand konkret vorgegebener, transparenter und monetarisierbarer Kriterien bewertet. Die aus Gesamtsystemsicht optimale Lösung (bezogen auf die Kosten der Erzeugung und des Wärmenetzes) wird ausgewählt. Dabei werden über die CO₂-Preise auch Unterschiede in den Dekarbonisierungspfaden berücksichtigt. Die aus diesen Preisen resultierende Lenkungsfunktion kann gegebenenfalls durch Quotenregelungen ergänzt werden kann.
Auch nach dem Abschluss des Zugangsprozesses und der Auswahl der Wärmequellen verbleiben Unsicherheiten bezüglich des Genehmigungsverfahrens und der Höhe der Kosten, die mit der weiteren Umsetzung verbunden sind. Daher wird das Drittzugangskonzept durch ein Memorandum of Understanding abgeschlossen, das die ausgewählten Wärmequellen (unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit) zur Weiterprojektierung verpflichtet und nach der Umsetzung den Netzanschluss unter den zuvor ausgehandelten Bedingungen zusichert. Ein finaler Liefervertrag folgt erst nach der Umsetzung der Wärmeerzeugungsanlage, wenn die restlichen Risiken ausgeräumt sind.
Umsetzung nach 2027 empfohlen
Das entwickelte Drittzugangskonzept fügt sich in die geltenden Regelungen des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) ein. Es ergänzt und formalisiert die bestehenden Abläufe der kommunalen Wärmeplanung und der Dekarbonisierungsfahrpläne. Da Kommunen und Fernwärmeversorger derzeit an der Erstellung dieser Pläne arbeiten, empfiehlt das Fraunhofer IFAM, die vorgeschlagenen Änderungen erst in der nächsten Überarbeitungsrunde in Betracht zu ziehen.
»Verbesserung des Drittzugangs zu Fernwärmenetzen« im Überblick
Laufzeit
07.2024-03.2025
Projektpartner
- Fraunhofer IFAM - Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung
- EERA Consulting GmbH
Auftrag
Deutsche Energie-Agentur im Auftrag der European Climate Foundation
Download
Das vollständige Gutachten ist auf der Webseite der Deutschen Energie-Agentur unter folgendem Link abrufbar: https://www.dena.de/PUBLIKATION2861