Mithilfe der Nutzung von unbemannten Luftfahrzeugen (UAS) ergeben sich für das Fraunhofer IFAM seit einigen Jahren völlig neue Anwendungsgebiete. So wurde zum Beispiel im Dezember 2022 in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Helgoland und dem auf Helgoland ansässigen Verein Jordsand, der sich dem Schutz von Seevögeln, Meeressäugern und der Natur verschrieben hat, das Kegelrobbenmonitoring per Drohne erprobt. Luftbilder erlauben dabei eine minimalinvasive Durchführung der Geburten- und Populationszählung.
Im Rahmen des Testzentrums für maritime Technologien auf Helgoland hat das Fraunhofer IFAM seit 2017 viele Erfahrungen mit dem Betrieb von unbemannten Luftfahrzeugen über der Nordsee und speziell um Helgoland herum gesammelt. Im Oktober 2022 kontaktierte der lokale Umweltschutzverein Jordsand auch im Auftrag der Gemeinde Helgoland das Fraunhofer IFAM mit der Bitte um Unterstützung bei der Zählung von Kegelrobben. Für das Geburtenmonitoring werden die Kegelrobben, die jedes Jahr im Winter am Strand der Düne-Helgoland zur Welt kommen, normalerweise manuell gezählt. In Zusammenhang mit einer immer größer werdenden Population und damit erfreulich vielen Geburten, bergen diese Zählungen jedoch ein bestimmtes Störpotenzial. So entstand die Idee, die Zählung mittels Drohne durchzuführen.
Die Gemeinde Helgoland beauftragte das Fraunhofer IFAM mit einer Erprobung der Befliegung, die gemeinsam mit dem Verein Jordsand realisiert wurde. Im Dezember 2022 startete der Versuch an jeweils zwei Flugtagen in zwei aufeinander folgenden Wochen. Die Flüge wurden in der sogenannten OPEN-Kategorie* innerhalb der Sichtweite durchgeführt. Außerdem erfolgte eine enge Abstimmung mit der Flugleitung des Flugplatzes Helgoland, da der Flugplatz sich mitten im Zentrum der Robbenliegeplätze auf den Stränden der Helgoländer Düne, befindet.
Die Drohnenpiloten des Fraunhofer IFAM nahmen dabei mit einem offiziellen Luftfahrtkennzeichen am Flugfunk des Flugplatzes Helgoland teil, um den Drohnenbetrieb sicher mit der bemannten Luftfahrt zu koordinieren. An den insgesamt vier Flugtagen wurden über 8000 Bilder aufgenommen, die jeweils zu tagesaktuellen Gesamtbildern zusammengefügt wurden. Anhand der zusammengesetzten Luftbilder aller Strandabschnitte der Insel konnten die Mitarbeiterinnen der Gemeinde und des Naturschutzvereins die Zählung der Robben vornehmen.
Zählung von Robben vollautomatisch
Zusätzlich wurde durch das Fraunhofer IFAM analysiert, inwiefern die Zählung der Robben auf den Bildern vollautomatisch durchgeführt werden kann. Dazu wurde ein neuronales Netz auf Basis der Luftbilder des ersten Flugtages trainiert und danach für alle folgenden Flugtage genutzt. Neuronale Netze sind dem menschlichen Gehirn nachempfunden und werden für maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz eingesetzt. Zwar müssen für eine vollautomatische Zählung in Zukunft die neuronalen Netze noch weiter trainiert werden, speziell wenn es um unterschiedliche Aufnahmequalitäten sowie Schattenwürfe o.ä. geht, die effiziente Machbarkeit einer solchen Zählung konnte aber nachgewiesen werden.
Zum Einsatz kam eine DJI M300 Drohne zusammen mit der Verwendung von Open Source Tools, um die Bilder zusammenzufügen und die automatische Auszählung zu testen.
Fazit der Erprobung ist, dass die Robben durch den neuartigen Ansatz der Zählung potenziell weniger gestört werden und die Zählung insgesamt besser dokumentiert, werden kann. In der Zukunft sollen diese Ansätze im Rahmen einer gemeinsamen Kooperation weiterentwickelt werden. Dabei kann auch der vollautomatische Drohnenbetrieb für eine regelmäßige Zählung der Robbenkolonien auf der Düne in Betracht gezogen. Für weiterführende Themen wie die Integration von unbemannter Luftfahrt in bemannte Luftfahrt und um die Entwicklungskompetenzen zu bündeln, baut das Fraunhofer IFAM aktuell den Offshore Drone Campus Cuxhaven auf. Dieser fokussiert die Anwendung von unbemannten Luftfahrzeugen in maritimen Bereich für Umweltschutz- und Küstenmonitoring sowie Wartung und Transport von Offshore-Strukturen.
(*In der OPEN-Kategorie ist der Betrieb von Drohnen nach §21h LuftVO geregelt, bei denen keine explizite Aufstiegsgenehmigung des Luftfahrtbundesamtes bzw. der lokalen Landesluftfahrtbehörden erforderlich ist).