Oberflächenbehandlung mit Plasma

Plasmabeschichtungen: Chemiefreie Dünnschichten für neue Oberflächen- und Produkteigenschaften

Der Bedarf an speziellen Funktionsbeschichtungen für Halbzeuge und Produkte ist in vielen Industriebereichen – von der Automobilproduktion über die Kunststoffverarbeitung bis hin zur Medizintechnik oder Biotechnologie – sehr groß. Das Fraunhofer IFAM erforscht und entwickelt plasmagestützte Beschichtungsverfahren, die das Eigenschaftsspektrum dieser Halbzeuge und Produkte nahezu unabhängig vom eingesetzten Werkstoff entscheidend verbessern. Und das ohne Einsatz von Chemikalien! Das macht diese Verfahren aktuell besonders interessant, denn es hilft Firmen dabei, Regularien wie der REACH-Verordnung oder den HSE-Richtlinien gerecht zu werden. 

 

Die drei Vorteile von Plasmabeschichtungen: dünn, chemikalienfrei und werkstoffunabhängig

Plasmabeschichtungen erweitern die Eigenschaften vieler Produkte und Halbzeuge: Durch eine gezielte Plasmabehandlung werden ihre Oberflächen mit vielfältigen Funktionen wie Haftvermittlung, Korrosionsschutz oder Alterungsschutz versehen. Je nach Funktion bieten Plasmabeschichtungen unterschiedliche Vorteile. Allen Plasmaschichten sind aber drei große Vorteile gemein.

  1. Extrem dünn: Mittels der Plasmatechnik lassen sich Dünnschichten mit einer Schichtdicke von typischerweise zwischen 10 Nanometern und 1 Mikrometer herstellen. Die Bauteilgeometrie bleibt also nahezu unverändert.
  2. Chemikalienfrei: Die Plasmaschichten werden in einem trockenchemischen Verfahren hergestellt. Auf den Einsatz von nasschemischen Substanzen wie Primer oder Trennmittel kann also verzichtet werden.
  3. Nahezu werkstoffunabhängig: Ob Metalle, polymere Kunststoffe oder Faserverbundwerkstoffe – plasmagestützte Beschichtungsverfahren lassen sich auf nahezu allen Werkstoffe anwenden.     

 

Plasma: die umweltschonende Alternative für viele Branchen

Beschichtungsverfahren mit Plasmen bilden für viele, unterschiedliche industrielle Herstellungsprozesse eine wirtschaftliche und umweltschonende Alternative zu nasschemischen Behandlungsverfahren. Die Tabelle 1 zeigt eine Auswahl an möglichen Anwendungen. 

Wenn auf nasschemische Beschichtungsverfahren aufgrund von Mitarbeiter- und Umweltschutz (REACH, HSE), branchenspezifischen Regularien oder Kostenersparnissen verzichtet werden soll, lohnt es sich, den Einsatz von Plasmatechnik in Betracht zu ziehen. Die Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IFAM beraten hierzu und führen bei Bedarf Machbarkeitsstudien durch.

Branchen

Auswahl möglicher funktionaler Beschichtungen

Automobil- und Luftfahrzeugbau
  • Haftvermittlung für Klebungen und Lacke
  • Unterwanderungsstabile Dichtklebungen
  • Schutz gegenüber hydrothermaler Alterung
  • Trennschichten für Kunststoffverarbeitung
  • Antibakterielle Oberflächenbeschichtungen für Interieur
  • Reibungsreduktion z. B. bei Radialwellendichtringen
Energiesektor
  • Wasserstoffbarrieren für LOHC-Technik
  • Trennschichten für die Herstellung von Rotorblättern in der Windenergie
  • Haftvermittlung für Solarmodule
  • Alterungsschutzschichten für die Photovoltaik
  • Abrasions- und Korrosionsschutz für Reflektoren von Solarwärmekraftwerken
Medizintechnik
  • Antibakterielle Beschichtungen
  • Schichten zur Speicherung von Antibiotika, z. B. auf Implantaten
  • Schichten zur Steuerung der Zelladhäsion
Maritime Technologien
  • Aktives Anti-Fouling
  • Korrosionsschutz
Anlagen- und Maschinenbau

 

  • Blankkorrosionsschutz für Fertigungslinien

Insbesondere interessant für die Lebensmittelfertigung und -verarbeitung, wenn das Abplatzen von Schutzlacken unbedingt vermieden werden soll.

 

Funktionsschichten für unterschiedliche Anwendungen

Mittels Plasmabeschichtung lassen sich unterschiedliche Funktionsschichten herstellen. Die Tabelle zeigt eine Auswahl von Funktionen und Vorteilen, welche die Expertinnen und Experten am Fraunhofer IFAM bereits oft für Kunden aus unterschiedlichen Branchen und in öffentlich geförderten Projekten realisiert haben.

Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass diese Funktionen sich oft kombinieren lassen. So sind bspw. für Elektronikkomponenten Plasmabeschichtungen herstellbar, die elektrische Isolation, Korrosions- und Alterungsschutz kombinieren. In der Medizintechnik sind Implantatbeschichtungen realisierbar, die antibakteriell sind und zugleich Antibiotika speichern können, welche die Annahme des Implantats durch den Körper fördern.

Funktion

Vorteile (Auswahl)

Mögliche Anwendungen

Haftvermittlung
  • Chemikalienfreie Verbesserung der Langzeitbeständigkeit der Haftung (Ersatz für Primer!)
  • Metallisierung von Kunststoffen
  • Strukturelle Klebung von Leichtmetallen
  • Lackierung von Komposit-Werkstoffen mit wasserbasierten Lacken

Trennschicht

  • Trennmittelreduzierte oder sogar trennmittellose Entformung von Formteilen
 

Für unterschiedliche Verfahren der Kunststoff- und FVK-Verarbeitung realisierbar, u. a.:

  • In-Mould-Coating-Verfahren (IMC)
  • Spritzguss
  • Hartschaum
  • Slush-Verfahren
  • Thermoplastspritzguss
  • Wachsspritzguss

Lernen Sie das vom Fraunhofer IFAM entwickelte ReleasePLAS®-Trennschichtsystem kennen!

Easy-to-Clean
  • Chemisch außerordentlich stabile Schicht
  • Mit weiteren Funktionen, wie Korrosionsschutz oder Verschleißschutz kombinierbar

Das Fraunhofer IFAM hat Easy-to-Clean-Beschichtungssysteme für unterschiedliche Anwendungsbereiche entwickelt, u. a.:      

  • PermaCLEANPLAS® für die leichte Reinigung von durch Lacke verschmutzte Oberflächen
  • BestSKINPLAS® als Antihaftbeschichtung in der Lebensvermittelverarbeitung 
Korrosionsschutz
  • Plasmapolymere Korrosionsschutzschichten haben eine hohe thermische und chemische Beständigkeit
  • Beschichtung von engen, komplexen Bauteilen (z. B. Wärmetauscher) möglich
  • Mit u. a. elektrischer Isolation, antimikrobieller Wirksamkeit oder Trenneigenschaften kombinierbar
  • Eloxalersatz bzw. Kombination mit Eloxalveredelung
  • Wärmetauscher
  • Anlagenbau und Vorrichtungsbau
  • Automobilzulieferindustrie
  • Gebäudeausstattung
  • Musikinstrumente
Alterungs- und Isolationsschutz
  • Keine Emission von Volatile Organic Compounds (VOC; leichtflüchtige organische Substanzen)
  • Verzicht auf Schutzlacke oder Vergussmassen möglich

Insbesondere in der Elektronik:

  • Beschichtung von Sensoren
  • Ersatz von Schutzlacken auf Elektronik-Boards
  • Lokale Alterungs-Schutzschichten auf Leiterbahnen und Kontakten
Reibungsreduktion und Abrasionsschutz
  • Verlängerung der Lebensdauer und Erhöhung der Beweglichkeit von zusammenwirkenden Bauteilen
  • FrictionPLAS oder FrictionPLASblack, u. a. für kleine und große Bauteile, wie Radialwellendichtringe, O‑Ringe, Kunststoffschienen oder metallische Bauteile (z. B. aus Aluminium, Kupfer, Titan, Stahl oder Edelstahl) aller Branchen 
Antibakteriell
  • Wettbewerbsvorteil schaffen: Erweitern Sie Ihre Produktoberfläche mit dem präventiven Schutz vor der Übertragung von Bakterien!
  • Biokompatibel gestaltbar für medizintechnische Anwendungen  
  • Insbesondere interessant für Innenausstattungen von öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln
  • Spezielle Möglichkeiten für die Medizintechnik, u. a. bei Implantaten
Speicherung
  • Biokompatibel gestaltbar für medizintechnische Anwendungen

Insbesondere interessant für die Medizintechnik: antibiotikahaltige Beschichtungen mit einstellbaren Freisetzungsverhalten

 

Beschichtungsverfahren mit Plasma um Lasertechnik ergänzt

Sowohl über die plasmagestützte chemische Gasphasenabscheidung (PECVD) als auch über die physikalische Gasphasenabscheidung (PVD) lassen sich neue anwendungsspezifische Oberflächeneigenschaften kreieren, ohne die Geometrie des Bauteils maßgeblich zu verändern. Durch Kombination mit Laserbehandlungen, seien es Strukturierungen oder Glättungen, lassen sich diese Eigenschaften vielfach optimieren, beispielsweise bei der Adhäsion (Haftvermittlung), der Tribologie oder der Benetzung (Superhydrophilie, Superhydrophobie). Das Fraunhofer IFAM verfügt über das entsprechende Know-how in der Lasertechnik.

Dr. Ralph Wilken leitet die Abteilung »Plasmatechnik und Oberflächen« am Fraunhofer IFAM. Mit seinem Team von Forscherinnen und Forschern steht ein umfassendes Wissen rund um den Einsatz von Plasma-, Laser- und VUV-Technologien in der Oberflächentechnik zur Verfügung. In enger Zusammenarbeit mit Kunden aus der Industrie entwickeln sie maßgeschneiderte Plasmabeschichtungen. Viele von ihnen werden bereits in der Fertigung unterschiedlichster Branchen erfolgreich realisiert.