Hybridantrieb für Industrieroboter – Hohe Bahngenauigkeit

Optimierte Dynamik und Stabilität durch die Kombination von Getriebeantrieb und Direktantrieb

Prototyp Kinematik eines seriellen Industrieroboters mit Hybridantrieben am Fraunhofer IFAM in Stade.
© Fraunhofer IFAM
Prototyp Kinematik eines seriellen Industrieroboters mit Hybridantrieben am Fraunhofer IFAM in Stade.
Schematische Darstellung des Hybridantriebs für Roboter.
© Fraunhofer IFAM
Schematische Darstellung des Hybridantriebs für Roboter.
Ergebnisse des Bahnverhalten des Prototyp-Roboters anhand der Prüfbahn nach ISO 9283 bei unterschiedlichen Bahngeschwindigkeiten.
© Fraunhofer IFAM
Ergebnisse des Bahnverhalten des Prototyp-Roboters anhand der Prüfbahn nach ISO 9283 bei unterschiedlichen Bahngeschwindigkeiten.

Industrieroboter sind aus modernen Produktionsprozessen nicht mehr wegzudenken. Ihr serieller kinematischer Aufbau sorgt für hohe Flexibilität bei gleichzeitig geringem Platzbedarf. Das Fraunhofer IFAM in Stade hat nun eine neuartige Lösung zur dynamischen Verbesserung dieser Kinematik entwickelt: den Hybridantrieb für Industrieroboter. 

 

Der Hybridantrieb kombiniert den bewährten Getriebeantrieb mit einem zusätzlichen Direktantrieb, wodurch direkt auf der Lastseite ein Moment aufgeschaltet werden kann. Diese Kombination ermöglicht die gezielte Kompensation unerwünschter Getriebeeffekte sowie die effektive Dämpfung von Anregungen hoher Frequenzen – und das bei maximaler Energieeffizienz. Beide Antriebe laufen parallel und folgen dem identischen Positionswert. Dabei regelt der Direktantrieb den dynamische Anteil, während der Getriebeantrieb die statischen und quasistatischen Lasten übernimmt.

Diese neuartige Antriebssteuerung sorgt für eine hohe Energieeffizienz und höchste Genauigkeiten: Der Direktantrieb wird nur während der Beschleunigungs- und Bremsphasen aktiv bestromt, was den Energieverbrauch minimiert. Gleichzeitig erhöht sich die Dämpfung innerhalb des Antriebsstrangs, sodass die Resonanzfrequenzen nicht mehr aus den Basisachsen resultieren, sondern aus der Struktur und den Lagern des Systems. Dadurch wird die Übertragung von Schwingungen erheblich reduziert, was zu einer stabileren und präziseren Steuerung des Antriebs und damit der gesamten Kinematik führt. 

Durch diese optimierte Antriebstechnologie verbessert sich nicht nur die Dynamik und Reaktionsfähigkeit des Systems, sondern auch die Widerstandsfähigkeit gegen externe Störungen, wie Prozesskräfte. Industrieroboter mit Hybridantrieben erreichen somit eine höhere Leistung und Präzision – entscheidende Faktoren für Anwendungen, die höchste Bahngenauigkeit und Stabilität erfordern. 

Verbesserte Bahngenauigkeit und konstantes Verhalten im Arbeitsraum 

Die verbesserte Bahngenauigkeit des Roboters durch das Antriebssystem stellen einen entscheidenden Fortschritt dar. Untersuchungen zur Bahngenauigkeit, die anhand der ISO 9283 Prüfbahn durchgeführt wurden, zeigen eine signifikante Steigerung der Bahngenauigkeit auf unter 0,1 mm. Diese Prüfbahn umfasst verschiedene geometrische Elemente wie Ecken, Kreise 

Prototyp-Roboter bei der Bearbeitung eines Prüfkörper aus Stahl.
© Fraunhofer IFAM
Prototyp-Roboter bei der Bearbeitung eines Prüfkörper aus Stahl.

und Richtungswechsel, die für die Bewertung der Leistungsfähigkeit des Systems entscheidend sind. Ein wesentliches Merkmal dieses Systems ist die Vermeidung von Bahnfehlern an spitzen Geometrieelementen wie beispielsweise Ecken Auch bei Umkehrpunkten und Richtungswechseln wird der Bahnfehler erheblich reduziert. Das Zusatzmoment durch den Direktantrieb gleicht dabei das Torsionsfedermoment des Getriebes aus, das in den Beschleunigungs- und Bremsphasen unterschiedliche Ausprägungen annimmt und zu Abweichungen von Soll- und Istwert führen kann. Darüber hinaus werden auch Reibeffekte des Getriebeantriebs kompensiert, was zu einem wesentlich lineareren Verhalten des gesamten Systems führt. Diese Entwicklungen führen zu einem konstanten und homogenen Bahnverhalten über den gesamten Arbeitsraum hinweg, so dass insbesondere präzise Fertigungs- und Automatisierungsprozesse profitieren.

Höhere Produktivität und Robustheit im Prozess

Der zusätzliche Direktantrieb dämpft die ersten Eigenmoden der Kinematik, die durch die Getriebeantriebe verursacht werden. Dies erlaubt eine Steigerung der Ruck-Einstellung in der Robotersteuerung in den jeweiligen Achsen um bis zu Faktor 100 im Vergleich zu konventionellen Robotern mit Servoantrieben. Dadurch erhöht sich die Dynamik in der Beschleunigungs- und Bremsphase erheblich. Gleichzeitig bleibt die Bahngenauigkeit bei gleichzeitig gestiegener Vorschubgeschwindigkeit konstant. Diese Eigenschaften bieten ein enormes Potenzial zur Steigerung der Produktivität und dem Erschließen neuer Anwendungsfelder für die Robotik.

Zusätzlich ermöglicht die direkte mechanische Übertragung der Motormomente auf die Lastseite eine verbesserte Störunterdrückung. Hochdynamische Störungen, die bei herkömmlichen Getriebeantrieben aufgrund ihres Tiefpassverhaltens nicht kompensiert werden können, lassen sich nun effektiv ausgleichen. Dadurch sind die Systeme in der Lage, plötzlich auftretende Prozesskräfte auszugleichen. Besonders bei Bearbeitung hochfester Materialien, wie Stahl, die häufig eine erhöhte Anregung des Roboters verursachen, eröffnet diese Technologie neue Möglichkeiten für eine präzise und stabile Fertigung. 

Roboter mit Hybridantrieb schließen die Lücke zwischen Standard-Industrieroboter und Werkzeugmaschinen

Roboter mit Hybridantrieb stellen eine fortschrittliche Lösung dar, die die Lücke zwischen Standard-Industrierobotern und Werkzeugmaschinen erfolgreich schließt. Im Vergleich zu herkömmlichen Industrierobotern bieten Roboter mit Hybridantrieben eine deutlich verbesserte Bahngenauigkeit und höhere Dynamik, während sie gleichzeitig eine gesteigerte Robustheit und ein von Werkzeugmaschinen bekanntes, posenunabhängiges Verhalten aufweisen.  


Die Nutzung von Industrierobotern mit Hybridantrieben erweist sich als zukunftsweisend, da sie die Herausforderungen der Bearbeitung schwer zerspanbarer Materialien meistern und zugleich die Effizienz der Produktionsprozesse erheblich steigern können. Diese Synergie ermöglicht eine hochpräzise und effiziente Durchführung komplexer Prozesse bei gleichzeitiger Flexibilität und Anpassungsfähigkeit – zwei essenzielle Anforderungen der modernen Fertigungstechnik. Damit eröffnen sich neue Potenziale in der Automatisierungstechnik und Industrie 4.0, z. B. in den Bereichen Automotive, Energie, Luftfahrt und Schiffbau.