Beschleunigte Klebstoffhärtung

Thermisch beschleunigte Klebstoffhärtung für kürzere Taktzeiten im Klebprozess

In der klebtechnischen Fertigung ist die Härtung des Klebstoffs häufig einer der zeitintensivsten Prozessschritte. Über die gezielte Zufuhr von Wärme kann die Härtung vieler klassischer Klebstoffe allerdings beschleunigt und damit die Prozesszeit signifikant reduziert werden. 

Während das Kleben eine Reihe an Vorteilen gegenüber anderen Verbindungstechniken bietet, stellt häufig die benötigte Zeit der Klebstoffhärtung eine besondere Herausforderung für die Prozessgestaltung dar. Zusätzliche Pufferstrecken für lange Fixierzeiten und Werkzeuge mit Mehrfachnutzen sind typische Maßnahmen, wenn hohe Stückzahlen gefertigt werden sollen. Im schlimmsten Fall scheidet die Klebtechnik sogar aus diesen Gründen als mögliche Verbindungstechnik für den Fertigungsprozess aus.

 

Schnell härtende Klebstoffe für kurze Taktzeiten

Sollen die Taktzeiten in einem Klebprozess kurz sein, kann dies z.B. über die Wahl schnell härtender Klebstoffsysteme realisiert werden. 

Mit UV-härtenden Klebstoffen lassen sich i.d.R. Härtungszeiten von wenigen Sekunden erzielen. Diese relativ kostenintensiven Klebstoffe erfordern allerdings eine Zugänglichkeit des Klebstoffes für die UV-Strahlung, mit deren Hilfe die Härtungsreaktion ausgelöst wird (z.B. mindestens ein UV-durchlässiges Bauteil). Außerdem handelt es sich bei diesen Klebstoffen um spezielle Klebstoffklassen, deren Endeigenschaftsprofil nur einen kleinen Teil des Leistungsspektrums der am Markt verfügbaren Klebstoffklassen abdeckt.

Von vielen anderen Klebstoffklassen sind auch schnellhärtende Varianten erhältlich. So gibt es z.B. 2K-Epoxide, -Polyurethane und -Acrylate, die innerhalb von Minuten bis Stunden eine Handhabungsfestigkeit und sogar Endfestigkeit erreichen. Hier ist allerdings die ebenfalls sehr kurze Topf- und Verarbeitungszeit zu berücksichtigen. Kann die Bauteilzuführung nicht in einem schmalen Zeitfenster aufrechterhalten werden, sind Spülzeiten des Mischers oder dessen Tausch erforderlich, was hohe Kosten verursachen kann.

Auch heißhärtende Klebstoffe sind als schneller härtende Varianten erhältlich. Eine schnellere oder schon bei geringerer Temperatur einsetzende Härtungsreaktion bringt i.d.R. aber eine verringerte Haltbarkeit oder das Erfordernis einer gekühlten Lagerung mit sich.

 

Thermische Beschleunigung der Klebstoffhärtung

Wenn weder Pufferstrecken für die Klebstoffhärtung, noch schnelle Klebstoffsysteme für den Klebprozess eingesetzt werden können oder sollen, so gibt es häufig die Möglichkeit, die Härtungsreaktion thermisch zu beschleunigen.

Bei sehr vielen Klebstoffsystemen wird die chemische Härtungsreaktion durch die Zufuhr von Wärme beschleunigt. Für Klebstoffsysteme wie z.B. 2K-Epoxide, -Polyurethane,- Acrylate und – Silikone mit moderater Topf- und Verarbeitungszeiten konnten unsere Expertinnen und Experten in zahlreichen Projekten die Härtung um ein Vielfaches beschleunigen.

Auch bei ohnehin heißhärtenden Klebstoffsystemen konnte in vielen Fällen eine Beschleunigung des Härteprozesses realisiert werden. Diese beruht dann maßgeblich auf einem lokal begrenzten, aber auf die Härtungsreaktion des jeweiligen Klebstoffs angepassten Wärmeeintrag.

 

Wärmeeintrag ins Bauteil

Beim Eintrag der Wärme in das Bauteil bzw. die Klebschicht können unterschiedliche Methoden verwendet werden.

Eine vergleichsweise einfache Methode, Wärme in das Bauteil bzw. in den zu härtenden Klebstoff einzutragen, ist die Erwärmung des Gesamtbauteils im Ofen. Sofern immer die gleichen Bauteile bei vorgegebener Temperatur und Verweilzeit im gleichen Ofen erwärmt werden, kann von einer ausreichenden Erwärmung und damit Härtung des Klebstoffs ausgegangen werden.

Handelt es sich um große Bauteile, an die nur kleine Anbauteile geklebt werden, ist dieses Verfahren allerdings sehr energieaufwändig und es muss eine lange Aufheiz- und Abkühlphase eingeplant werden. Temperaturempfindliche Anbauteile begrenzen zudem die maximal anwendbare Temperatur, was zu einer längeren Verweildauer im Ofen aber auch Ausschluss bestimmter Klebstoffsysteme führt.

Mit anderen Erwärmungsmethoden können wir die Wärme auch lokal begrenzt einbringen. Dadurch wird bei größeren Bauteilen nur der Bereich der Klebung erwärmt, ohne dass z.B. temperaturempfindliche Anbauteile erwärmt werden. Auf diese Weise lässt sich auch eine gewisse Unabhängigkeit des Klebprozess von der Umgebungstemperatur erzielen, wenn z.B. ein 2K-Klebstoffsystem ein bestimmtes Temperaturfenster für die Härtung erfordert, die Fertigungsumgebung aber nicht ausreichend beheizt wird.

 

Prozessentwicklung für die thermisch beschleunigte Klebstoffhärtung

Für die Entwicklung eines Klebprozesses mit thermisch beschleunigter Klebstoffhärtung verfügt das Fraunhofer IFAM über verschiedene Methoden, um Wärme in die Bauteile und den Klebstoff einzubringen. Neben dem klassischen Ofen können Bauteile auch lokal mit folgenden Methoden erwärmt werden:

  • Induktion
  • Infrarotstrahlung
  • Heißluft
  • Thermode

Bei der Auswahl der Methode für den jeweiligen Klebprozess ziehen wir Aspekte wie das Material des Bauteils, die Bauteilgeometrie, den Klebstoff, die angestrebte Prozesszeit und die Bedingungen in der Fertigung (Platz, Geräteintegration, Abwärme…) in Betracht. Auf dieses Weise entsteht eine individuelle Lösung für den jeweiligen Klebprozess.

 

Klebstoffqualifizierung

Soll in einem Klebprozess der Klebstoff thermisch beschleunigt ausgehärtet werden, ist für den jeweiligen Klebprozess eine dahingehende Klebstoffqualifizierung durchzuführen. Auch wenn viele Klebstoffe generell dafür geeignet sind, thermisch beschleunigt gehärtet werden zu können, kann der Aushärtungsprozess nicht beliebig beschleunigt werden.

Der Abstimmung der Temperaturführung auf das zu verwendende Klebstoffsystem räumen wir daher eine besonders hohe Priorität ein. Für jeden Klebstoff muss ein Prozessfenster hinsichtlich maximaler Erwärmungsrate und dazugehöriger Aushärtetemperatur eingehalten werden. Dies ist für jeden Klebstoff individuell und wird von uns experimentell ermittelt.

Oberhalb einer kritischen Erwärmungstemperatur kann es zu einer Schädigung des Klebstoffs kommen, welche die Festigkeit und die Langzeitbeständigkeit der Klebung herabsetzt. Bei zu geringen Aushärtetemperaturen und -zeiten wird der Klebstoff nicht vollständig gehärtet und erreicht nicht die gewünschte Festigkeit.

Bei der Entwicklung eines Klebprozesses mit thermisch beschleunigter Klebstoffhärtung überprüfen wir daher im Rahmen der Klebstoffauswahl die Klebstoffe dahingehend und gleichen schon an dieser Stelle ab, ob sich mit ihnen die angestrebte Prozesszeit erzielen lässt.

 

Das Fraunhofer IFAM entwickelt im Rahmen öffentlich geförderter Projekte das Thema der thermisch beschleunigten Klebstoffhärtung stetig weiter und entwickelt maßgeschneiderte Schnellhärteprozesse für seine Industriekunden. Dies umfasst die Auswahl geeigneter Methoden, die Gestaltung des Klebprozesses und die Auswahl und Qualifizierung von Klebstoffen.